42% Nichtstun

Der international bekannte und erfolgreiche Mentalcoach Dr. Christian Uhl, Sportpsychologe und Mitbegründer des psychologischen Erfolgssystems der österreichischen Skisprungnationalmannschaft «Super-Adler», erläutert in seinem Gastartikel die Wichtigkeit der konstruktiven Erholung und der Fähigkeit sich bewusst zu entspannen. Ich hatte das Glück Christian vor 4 Jahren durch meinen Bruder Klaus kennenzulernen. Sein einzigartiges «Krafttraining im Kopf» fördert die mentale Regeneration und eröffnet so nachhaltige Möglichkeiten zur Leistungssteigerung, ganz nach dem Grundsatz «Play to Win». Die meisten von uns wird es daher ziemlich überraschen, dass ein geplantes und sinnvolles Nichtstun ein wichtiger Bestandteil professioneller Leistungssteigerung darstellt. Mehr dazu im nachfolgenden Blogbeitrag von Dr. Christian Uhl.

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42% Nichtstun – mit konstruktiver Erholung zur Bestform

Wenn ein im Spitzensport sozialisierter Psychologe wie ich, der sich mehr oder weniger von Kindheitsbeinen an aktiv mit dem Thema Höchstleistung im sportlichen und nachfolgend wirtschaftlichen Kontext beschäftigt, einen Blogbeitrag zum Thema Nichtstun schreibt, dann mag das einen versalzenen Beigeschmack auslösen. Entweder ist der Blogartikel eingekauft, heuchlerisch zugeschnitten oder der vermutete Sinneswandel wird einem einschneidenden Lebensereignis zugeschrieben. Alle 3 Behauptungen treffen nicht zu. Dieser Beitrag entspringt sowohl aus meiner inneren Überzeugung als auch aus empirischen Daten anderer Kollegen.

Die Doktoren Emily und Amelia Nagoski beschreiben in ihrem Buch eindrücklich, dass menschliche Produktivität im engen Einklang zur strategischen Einhaltung von Pausen („Recovery Breaks“) steht. Ihrer Empfehlung zufolge sollten 42% eines 24h Tages für konstruktive Erholung verwendet werden, um persönliche Bestform zu erlangen. In einer idealen Welt wären das 8 Stunden Schlaf und 2 volle Stunden „sinnvolles Nichtstun“.

Dr. Christian Uhl, Sportpsychologe von Olympiasiegern und Weltmeistern – der ehemalige Leistungssportler arbeitet seit über 25 Jahren als Psychologe im Spitzensport und ist seit über 15 Jahren Trainer/ Coach von Führungskräften nationaler sowie internationaler Unternehmen. Im Fokus steht dabei immer auch eine gesunde Leistungskultur im Sport und in den Unternehmen.
Studium in Psychologie (Dr. rer. nat.), Universität Innsbruck. Studium in Sportwissenschaften, Philosophie und Pädagogik (lic. phil.). Zertifizierter Sportpsychologie, Arbeits-/Organisations-Wirtschaftspsychologie sowie Klinischer- und Gesundheitspsychologie. Co-Founder des Online Beratungsunternehmens Onehourtotalk (www.onehourtotalk.de).

Klingt paradox, ist es aber nicht. Das entscheidende Kriterium im Spitzensport ist heute die Regeneration bzw. der Mut, bewusst loszulassen und Körper und Geist seiner „parasympathischen Selbstheilung“ zu überlassen. Die Anstrengungen, die diesbezüglich angestellt werden, bahnen derzeit den Weg für eine ganze Industrie. Das Erfolgsgeheimnis eines Coaches war vor 15 Jahren die Qualität, Sportler täglich topmotiviert auf das Training vorzubereiten. Heute besteht die wahre Kunst darin, einen Sportler ins Loslassen und Abschalten zu bringen.

Einige von Ihnen werden jetzt meinen Realitätssinn anzweifeln. Wie soll das im Business umgesetzt werden? Ich erspare ihnen jetzt die neuesten Studien der Aufmerksamkeitsforschung, wie viel Prozent der Mitarbeiter über den Tag verteilt produktiv und konzentriert ihre Aufgabe erledigen (können). Vielmehr darf ich ihnen ein Beispiel aus meiner Beratungstätigkeit nennen: Im Laufe seiner Karriere zweifelt wohl jede Führungskraft mehr oder weniger deutlich die Qualität und den Output von Meetings an. In der gemeinsamen Reflexion (im Übrigen auch eine 42% Maßnahme) auf die Meeting Kultur wird oft von fatalen Entscheidungen berichtet, die einer schlechten Vorbereitung oder emotionaler Hektik geschuldet sind. Amazon Gründer Jeff Bezos hat dieser Unkultur einen strategischen Schlussstrich gezogen. Die ersten 30 min. wird gemeinsam ein Manuskript gelesen (im Übrigen auch eine 42% Maßnahme). Analog auf Papier, “no power point and bullet points allowed”. Nach 30 min. ist die Energie im Raum anders und es folgt die Diskussion, die die abschließende Entscheidungsphase einläutet

Weitere Maßnahmen und Tricks, wie solche 42% Nichtstun-Phasen ausschauen können, darf ich ihnen bei meinem nächsten Blogbeitrag verraten. Und mit einem Gelehrten schließen, der seine literarischen Werke auch bevorzugt nach einem Mittagsschlaf geschrieben hat.

„Reichtum und Schnelligkeit ist, was die Welt bewundert und wonach jeder strebt, Eisenbahnen, Schnellposten, Dampfschiffe und alle möglichen Fazilitäten der Kommunikation sind es, worauf die gebildete Welt ausgeht, sich zu überbieten, zu überbilden und dadurch in der Mittelmäßigkeit zu verharren.“ – Johann Wolfgang von Goethe.

Christian Uhl

2 Kommentare

  1. Der Beitrag von Christian Uhl mit seiner 42%Nichtstun-„Regel“ hat mich als psychologische Psychotherapeutin sehr angesprochen: Für mich selbst und für meine Arbeit mit meinen Patient*innen.
    Danke

  2. 42% Nichts tun hat mich wieder inspiriert meine Sekundenstopps im Alltag meinen Klientinnen und Klienten näher zu bringen. Kurz stoppen, Gedanken, Gefühle und Emotionen bewusst wahrnehmen und dann bewusst entscheiden, wie der Alltag weiter geht. Danke für die Blogbeitrage

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